Werkstatt Hendrik Terwort
Ikonen - ein Psychogramm (2025)
Ausstellungen:
- Februar 2025: Boxer Café Bar, Carrer de la Diputació, 167, 169, L'Eixample, 08011 Barcelona
Lass uns bitte über die Ikonen sprechen. Warum? Ich weiß nicht, ob dabei alles verstanden wurde, was Du im Sinn hattest. Ich wollte erforschen, was für mich heilig ist. Heilig? Was soll das heißen? Was mich mit erbarmungslosem Eifer antreibt und in eine unreflektierte Leidenschaft wirft. Eine Hoffnung in mir, dass zum schieren Dasein auch ein Sinn existiert: Das Heilige, so erhaben, dass es ich selbst für Wahr erklärt, bedingungslos und ohne Nachfrage. Können wir das bitte erklären? Das Heilige, das ist doch so religiös. Aber die Bilder Deiner Ikonen sind so gar nicht religiös. Man wird sich fragen, wo das Religiöse ist… Sind sie das nicht? Schau nochmal hin. Nein, besser, schau in die Orte der religiösen Kunst und sage mir, was Dir fehlt, was dort überall und immer zu sehen ist, außer bei mir. Gut, vielleicht ist es nicht die Form. Aber man wird sagen: Du hast aber dabei nicht das Religiöse gemeint, also die religiöse Geschichte, oder die religiösen Figuren. Schon wieder! Habe ich das nicht? Ich zeige ja nicht unmittelbar die Figuren der katholischen Erzählung, aber ich zeige direkte Objekte der Begeisterung, der Anbetung, der Erregung und Verehrung und fetischistischer Verzückung. Ist es aber nicht das, was die Figuren der katholischen Erzählung -andere Figuren- dennoch, was diese Figuren in uns auch auslösen? Es ist also von Bedeutung, dass Deine Motive ja schon als Fotos existieren, ja dass sie kursieren auf Social Media, teilweise Photoshop oder AI-Motive darstellen? Und das ganze Pornographische? Widerspricht das denn nicht dem Religiösen? Willst Du mitteilen, dass Fetisch und religiöses Empfinden ein und dasselbe sind? Sicher sind Fetisch und religiöses Empfinden nicht das gleiche. Das ist offensichtlich. Ich wollte das Pornographische in meiner Sammlung haben, weil seine Formen der Präsentation und die Formen der Präsentation von religiösen Themen ästhetisch so ähnlich sind. Aber Ästhetik und Inhalt sind ja zwei ganz verschiedene Sachen. Genau das das macht es für mich so reizvoll. Dass die Ästhetik des Einen so gut auf der Ästhetik des Anderen funktioniert. Und natürlich, der Fetisch löst bei mir Empfindungen aus, die ich künstlerisch nutzen will, weil diese Empfindungen so stark und so profund sind, dass sie mich manchmal fassungslos gegenüber der Welt stehen lassen. Die Fassungslosigkeit gegenüber der Welt, die ich in meinem Kopf nicht so allein für sich stehen lassen kann, ist das, was mir den Antrieb gibt, einen künstlerischen Ausdruck zu suchen. Aber wenn es Dir um die Ektase und um die Erregung geht, warum können wir das nicht über abstrakte Mittel direkter ausdrücken? Es sind doch, wie du selbst sagst, abstrakte, also vom konkreten Objekt losgelöste Empfindungen? Ich glaube nicht, dass abstrakte Mittel ein Empfinden direkter ausdrücken, als konkrete Darstellungen: Ich meine, abstrakte Darstellung ist auch nur ein Zitat, aber in eine andere Richtung. Wenn ich eine abstrakte Erscheinung nutze um eine Empfindung auszudrücken, dann ist das genauso ein kommunikativer Akt wie mein Bestreben, über eine konkrete, oder naturalistisch dargestellte Figur eine Empfindung zu zitieren: in beiden Fällen muss man doch, um die Botschaft zu verstehen, auch die Referenz, dass, worauf man sich beziehen will, verstehen. Was ist aber die Referenz? Bei der Kunst ist es doch immer so, dass das nicht klar ist, dass das im Subjektiven verbleint und oszilliert. Es ist etwas Uneigentliches, was bei der Kunst hinzukommt, was den Unterschied macht. Was aber macht nun die abstrakte Darstellung? Sie kleidet sich unschuldig und unnahbar, weil sie durch Ihre Form sagt „ich behalte das Uneigentliche, dass du sagen willst, uneigentlich“. Aber das stimmt so nicht. Auch meine konkreten Figuren umkreisen ein uneigentliches Gefühl. Auch die abstrakten Mittel umkreisen ein uneigentliches Gefühl, ohne es zu packen. Ihre Behauptung, dass Uneigentliche quasi wörtlich „uneigentlich“ zu zeigen, ist eine Chimäre, vielleicht sogar ein Paradox, weil es, sobald es den Anspruch hat, das Uneigentliche zu sein, nicht mehr über dieses Uneigentliche sein kann, weil dieses ja dann durch seine (abstrakte) Bezeichnung etwas Eigentliches geworden ist, nämlich das Eigentliche, dass in Uneigentlichkeit bezeichnet werden kann. Ja, das ist paradox. Und es nicht das, worauf ich mit den Ikonen hinaus will. Ich will zeigen. Dass wir uns über etwas uneigentliches einig werden können. So, wie man manchmal glaubt, dass man durch die Sprache des Gebets eine gemeinsame Form findet, das Uneigentliche an Gott umfassen zu können. Also ein Gebet? Aber wie soll das funktionieren? Wie ein altmodisches Stundenbuch für den Fetisch? Ein Gebet? Denk mal dann an ehrliches Beten, nicht nur Floskeln. Ja, wenn du dann über spirituelle Kontemplation sprichst, denn meinen wir ja auch Mühe. Welche Mühe? Das Aufbringen, das Stemmen gegen die Müdigkeit und Faulheit des eigenen Körpers, um so etwas Mageres und Flüchtiges wie Spiritualität wirksam werden zu lassen. Also Gewalt gegen sich selbst, oder gegen das Körperliche in sich selbst. Und dann die Gewalt, mit der ich meine Bilder auf den Karton einritze, der Kampf der Informationen und die Ummantelung des bereits auf dem Karton bestehenden. Der Widerstand, ja, das sind die Linien, Buchstaben, Drucksachen, auf ewig eingebrannt, unter die Oberfläche der Pappe. Manchmal das Wachs, um den Karton zu imprägnieren. Die Falten, die Risse, Knicke und der Schmutz; Der Dreck aus der Hosentasche, die Spuren, einmal gebraucht worden zu sein. Das sind die Widerstände, die mich anziehen, gegen die ich meine Gedanken stämmen will, gegen die ich mit meiner Empfindung gewinnen will. Ich mache das, weil es eine fröhliche Hoffnung aufblitzen lässt, dass diese Anstrengungen, dass ich wirklich leben möchte, vielleicht dabei helfen, lebendig zu sein. Ich muss mich einem Gefühl annähern, für das es keine Bilder gibt, außer die Bilder, die es umkreisen als der Versuch meines Gehirns, diesem Gefühl eine Wirklichkeit zu geben. Ist das nicht ähnlich wie Spiritualität? Also in dem Hoffen, dass mein Dasein eine Geborgenheit und eine Aufgehobenheit erleben kann, die sich den simplen Worten entzieht? In diesem Sinne, in dem Kampf darum, etwas flüchtiges Wirklichkeit werden zu lassen, ist mein Fetisch eine kontemplative Erfahrung. Die Ikonen sind also kein altmodisches Stundenbuch, wenn Du in dieser Metaphorik bleiben willst, eher sind sie bäuerliche Reliquien. Fahr raus nach Freising, aufs Land, und schau Dir die Wieskirche an. Schau Dir Reliquien an. Schau Dir an, mit welcher wunderbaren Gewalt sich das Heilige auf das Gewöhnliche aufpresst. Ok, wir waren ja beim Religiösen. Jetzt bist Du über das Gebet zur Gewalt gekommen. Kampf, Überwinden, Aufpressen, Gewinnen? Ist das also der Inhalt dieser eigenartigen Religion, die Du mit deinen Ikonen anbeten willst, oder willst Du einfach nur ausdrücken, dass unsere klassische Erfahrung mit Religion ja auch eine gewalttätige seien kann? Das Thema des Religiösen hast Du in unser Interview gebracht. Vielleicht wegen des Titels der Ausstellung. Das ist nur recht und billig, schließlich darf man mir vorwerfen, diese Spur provoziert zu haben. Aber ging es mir überhaupt über das Religiöse? Ich habe Dir ja gesagt, mir ging es um das Heilige, aber um das Heilige, insofern mir die Sprache der Religion hier einen Begriff leiht, um ein ganz grundlegendes Gefühl zu charakterisieren. Es ist ein Gefühl, dass wir unser eigenes Werden immer gegen den Widerstand der Anderen erlangen, gleichzeitig unser selbst aber nie ohne diese anderen zu etwas Wirklichem wird. Ich bin gleichzeitig so überwältigt von diesem Wechselspiel, wie ich ratlos bin, wie sich die Frage nach der Bedeutung dieses Spiels in uns sich einem nicht ständig stellen muss Ist es also in Wirklichkeit das, was du mitteilen möchtest? Was für dich der Sinn des Lebens ist? Kunst bedeutet, die individuelle und extrem subjektive Erfahrung des lebendig Seins vom Sender zum Empfänger zu übertragen. Das heißt, es gibt einen gemeinsamen Ursprung des prinzipiellen Erfahrens der Wirklichkeit und der Künstler spendet seine Offenbarung dieser Wirklichkeit, die sich in unendlichen Nuancen zeigt. Kunst funktioniert, weil Sie einen Ort, in Form einer geistigen Heimat, für die Menschen hat. Denn dort liegen die unausgesprochenen Übereinkünfte über eine geteilte, dennoch subjektive Wirklichkeit; Das sind die Dinge, von denen wir einig sind, ohne Einigkeit herzustellen, weil sie erst Grundlage sind, damit wir uns einig werden können über die Fragen, die sich uns stellen. Und dann entsteht Kunst dort, wo diese Dinge ihr eigenes Objekt bilden, wie in einem Schaukasten, vor dem wir uns plötzlich wundern können, wie ein Blinder, dem man die Augen öffnet, weil wir plötzlich erkennen, was sie für uns fragwürdig machen. So bekommt Kunst eine Einordnung in unser Leben und wird für uns individuell verständlich. Wo ist dann die Einordnung Deiner Kunst? Meine Kunst ist bayerischer Barock. Und meine Inhalte sind Bilder aus einem Poesiealbum, das gefüllt ist mit Erinnerungen und guten Wünschen von den Geistern in meinem Kopf, die mir das Theater meiner Seele vorspielen. (im Juli 2024)








